Eine Neuerung, die nachdenklich stimmt. In der österreichischen Serie Braunschlag" geht die frustrierte Bürgermeistersgattin heimlich zu einem Erotik-Spezialtreff namens "Streichelzoo", wo sich die Partner in solchen Tierkostümen begegnen. Als lebensgroßer Plüschhase kuschelt sie hemmungslos mit einem ebensolchen Hasen, aber als sie dann unerwartet auf des Hasen Kern stößt, na servus...

Als frustriertes Kind wollte ich mich auch mal verkleiden, aber damals schon nicht als Hase, sondern als Pirat. Solche Kostüme wurden in der Regel selbst genäht, und meine Großmutter lehnte das Ansinnen Pirat mit der Begründung ab, sie habe keine Vorstellung "wie so einer ausschaut." Eine Vorstellung davon, wie eine Prinzessin ausschaut, hatte sie, die Bauerntochter aus Niederbayern, aber schon. Ich allerdings nicht, sodass meine Mutter, die Kleinbildkamera in der Hand, mich vergeblich ermahnte, ich solle jetzt bitte auch wie eine Prinzessin schauen.

Jahre später habe ich noch einmal versucht, als Pierrot und Vampir Spaß an Studentenbällen zu haben und es dann bleiben lassen, ebenso wie viele meiner Freunde und Mitstudenten. Vielleicht brauchten wir dieses Ventil der saisonalen Selbstverfremdung und Selbststilisierung durch Exotismus nicht mehr so dringend, wenn das doch auch im Alltag mit indischen Gewändern, Glitzerwesten und Cowboystiefeln möglich war. Für Anmache und Tanz gab es die Disco und Partys mit legalen und illegalen Drogen, und das ICH wollte man nicht hinter Masken verstecken sondern erst mal finden.

Jenseits der brausenden Hochburgen ist die Lust am Feiern in Verkleidung wohl eher als dünnes Rinnsal weiter geflossen, aus dem auch einiges ausgeschwemmt wurde: kleine Mädchen wollten sich nicht mehr als Fliegenpilz oder Marienkäfer lächerlich machen, pazifistisch gestimmte Mütter nahmen ihren Söhnchen Cowboyhut und Pistole weg, Sultan und Haremsdame geht gar nicht mehr, und der Scheich, das praktische Zweikomponentenkostüm Betttuch & Sonnenbrille für einfallslose Männer - völlig unmöglich. Schwarz Angemalte sieht man nur noch in Holland; und, seit Mao, verschwunden und nie wieder ausgetaucht ist ein anderer Farbiger, der Chinese, und das obwohl mir kein Protest aus Peking gegen dieses kolonialistisch - rassistische Schlitzaugenklischee bekannt ist. Vielleicht haben unsere neuen Handelspartner neben Immobilien und Versicherungen einfach auch diskret den Gebrauchsmusterschutz für Chinesenkostüme und gelbe Schminksets aufgekauft.

Rätselhaft bleiben mir die neuartigen Plüschoveralls, liegen sie im Trend einer allgemeinen Infantilisierung? Eine Invasion der Kuscheltiere? Mit Tribble-Power gegen die Härten der Gegenwart?
"Viel einfacher," sagt meine praktische Lebensgefährtin (Verkleidungswunsch mit 5: Cowboy, erhalten: süßes Pagenkostüm in Himmelblau) "Die Leute wollen nach dem Skifahren an der Schneebar abhängen und trotz Kostümzwang keine Blasenentzündung kriegen."
Nachtrag:
Beim Suchen nach Chinesenbemalung sehe ich: immer noch gibt es für Theaterschminke die alte Firma Leichner, 1873 gegründet von Ludwig Leichner, einem Wagnersänger, der Chemie studierte, um seine strapazierte Haut zu retten.
Bemal-Sets für einen Faschings-Neger oder Chinesen werden von der Firma nicht mehr angeboten, aber was man mit solchen Materialen und etwas Fantasie auch mitten im Jahr machen könnte, zeigt das Bild nebenan.