Dread, der Mozart liebende Killer, ist auch nur eine literarische Figur in der Romantrilogie Otherland, vom Autor mit besonders erlesener Bösartigkeit ausstaffiert.
Aber gibt es wirklich Musik, die zur Gewalt anstachelt?

Marschmusik ist die Klangkulisse zu aufgedonnerten Militärparaden, vielleicht verhilft ihr Echo im Kopf auch dazu, diszipliniert ins feindliche Feuer zu laufen. Erfreulicherweise ist hier in Lande diese Gleichschrittmusik nicht mehr besonders angesagt, Schützenvereine ausgenommen.

Der Song "Street Fighting Man" der Rolling Stones war nach 68 bei uns Demonstranten gegen Atomkraftwerke, den Vietnamkrieg, die Notstandsgesetze sehr beliebt, aber wenn man ihn heute wieder hört, ist klar: die wollen nur spielen. Nicht nur der zeternde Text nimmt sich selbst wieder zurück, auch die Musik bringt die Botschaft "The time is right for fighting in the street" nicht rüber; bei so viel Schwung ohne Zielrichtung werden allenfalls Puddingbeutel geworfen und die auch noch daneben.

Die rechte Szene der Gegenwart bespielt sich mit billigem Pathos und grausigem Gegröle, das durchaus Aggressionen weckt, z.B. bei mir gegen die talentfreien Ausübenden dieses Lärms. Für den Klang der anderen Seite fällt mir wieder nur eine historische Figur aus den 70ger Jahren ein, Rio Reiser und sein Kampflied "Macht kaputt was euch kaputt macht". Das scheppernde zweiminütige Intro ist ein starkes Stück Musik, das entfaltet eine Sogwirkung hinein in ein Unbehagen unbestimmter Art; man lädt sich geradezu auf in Erwartung eines Angriffs, gegen den man schon mal einen Pflasterstein bereit halten sollte. Die Verzauberung endet bei mir allerdings, wenn Reiser zu singen anfängt, da tritt der Kopf wieder in Aktion und stößt hart mit einem betonschlichten Text zusammen - Kapitalismuskritik eingedampft auf "Konsumterror im Schweinestaat". Also weg mit Radios, Fernsehern, Möbeln, und Nachbars Kleinwagen auch gleich mit abfackeln? Komponist und Texter Reiser kann darauf aber keine Antwort geben, er hat sich leider schon vor 20 Jahren zu Tode gesoffen.
Mit seiner Band "Ton Steine Scherben" hatte er auch Hanns Eislers Einheitsfrontlied von 1934 im Repertoire. Dieses Lied ist wiederum historisch aufgeladen mit der Leidensgeschichte der Linken, ihrer Zerrissenheit, den - vergeblichen - Beschwörungen von Zusammenhalt im Spanischen Bürgerkrieg, eine Musik die Gleichschritt jedoch ohne den alten Marschtritt suggeriert.

Ich weiß nicht, welche Musik die Autonomen in Hamburg sich vor der Straßenschlacht reingezogen haben - das Einheitsfrontlied wohl eher weniger und Exultate Jubilate schon gar nicht.
Auch in anderer Hinsicht erkläre ich mich für unwissend. Wenn man sich damit abfindet, daß der Kapitalismus, u.a. wegen neuer Entwicklungen und mangels lebbarer Alternativen, nicht durch eine revolutionäre Erhebung weg gestemmt werden kann, wenn es also nun darum geht, den Kampf gegen die schlimmsten Auswüchse zu führen, dann bedeutet das zähe Kleinarbeit mit langem Atem.
Mit welcher Art von antreibender, Mut machender Musik kann das begleitet werden?

Musikliebende Freunde, ich hoffe auf Vorschläge!