Als ich dieses Interview vom Oktober 2016 im ZEIT-Magazin las, habe ich mich gefragt, ob Herr G. die Reporterin Wanderers Nachtlied hat aufsagen lassen, bevor er überhaupt mit ihr reden wollte.
Schließlich hat ja Franz Josef Strauß, ein in AfD-Kreisen bewunderter deutscher Politiker, vor einem halben Jahrhundert auch schon die intellektuelle Legitimation unbequemer Frager auf nie dagewesene Weise geprüft, erstmals dokumentiert in Regensburg 1963 bei einer Delegiertenversammlung des Rings Christlich Demokratischer Studenten RCDS. (DER SPIEGEL 26.06.1963)
Ein Student hatte dort in höflicher Form wissen wollen, wie es denn zu erklären sei, dass Strauß in Sachen SPIEGEL-Affäre der Unwahrheit bezichtigt werde. Und wo er doch auch den Redakteuren der christsozialen Studentenzeitung ARGUS versichert habe, nichts damit zu tun zu haben.
Statt einer Antwort bekam der Fürwitzling die legendäre Gegenfrage an den Kopf: Haben Sie überhaupt Abitur?
Der verdatterte Student erklärte, dass sein Vater kriegsbeschädigt sei, er noch acht Geschwister habe und somit wirtschaftliche Gründe es ihm unmöglich gemacht hätten, über die mittlere Reife hinaus am Gymnasium zu bleiben. Er sei aber ordentlicher Studierender an der Münchner Hochschule für Politische Wissenschaften.
Der große Vorsitzende hielt daraufhin die große Klappe, wenn auch nur kurz, und suchte sich dann ein weiteres Opfer für seine Attacken. So schnell kann selbst bei einem Einser-Abiturienten die bildungsbürgerliche Fassade bröseln.
Und Szenen wie diese sind, nebenbei, Zwischengipfel bundesdeutscher Geschichte, die nicht in Vergessenheit geraten sollten!)
Mit Franz Josef Strauß als Vorbild, stelle ich mir vor, könnte Herr G. jetzt im neuen Bundestag unbequem Fragende auffordern, erst mal Wanderers Nachtlied aufzusagen, bevor er ihnen antwortet. Er macht dazu einen kleinen Test bei seinen Parteigenossen: Björn Höcke bietet ihm alternativ die erste Strophe des Deutschlandlieds, Alice Weidel meint, diese Art von Migrationslyrik sei nicht ihr Fachgebiet, und als dann der gerade vorbei gehende Cem Özdemir anfängt zu soufflieren, gibt Herr G. den Versuch wieder auf.

"Wandrers (Originalortografie von Göte) Nachtlied" ist kurz und leicht zu merken, und eigentlich, Freunde, wollte ich empfehlen, nicht nur das bekanntere, das mit den Gipfeln, auswendig lernen, sondern auch das zweite, von Schubert besonders schön vertonte, "Der du von dem Himmel bist..", damit wir jeder Nachfrage die Gegenfrage entgegenschleudern können: Ja welches Nachtlied meinen Sie denn, das von 1776 oder 1780 oder die Druckversion von 1815 ?"
Aber wir werden nicht gefragt werden, und was solls auch hier mit Satire, nur um wieder mal auf den Schlamm in gewissen Hirnen hinzuweisen?
Denn vielleicht sind ja die AfD-Spitzen die wahren (Real)-Satiriker, wenn sie uns vorführen, wie man deutsches Wählervolk verarschen kann.