Das Gastgeberpaar hatte den Film kürzlich gesehen - Moment, kürzlich?
Ja, staunende Bewohner großer Städte, bestimmte Filme, besonders solche mit dem Label "Kunst", kommen eben später in die Provinz, oft nur in spezielle Kinos und nur für kurze Zeit. Zu diesen Vorstellungen trifft sich dann die intellektuelle Elite der Region oder vielmehr der Teil, der für das cineastische Ereignis noch nicht zu einem Großstadtkino gepilgert ist.
Ich selbst besuche aufgrund langjähriger Erfahrung keine Filme mit solch aggressiver Überlänge wie T.E. und fühlte mich darin bestätigt, als Freund A. uns damals ernüchtert berichtete, das Aufgebot an Ideen und Witz hätte seiner Meinung nach bestenfalls für eine halbe Stunde gereicht, der Rest sei fade Längung und eigentlich eine Zumutung. Ich darf ihn zitieren, denn er ist jetzt gerade vom Dorf in eine mittlere Stadt gezogen, zwar nicht ursächlich wegen T.E., aber für ihn besteht nun keine Gefahr mehr, auf der Straße von einem T.E.-Fan erkannt, geohrfeigt und zum Duell mit scharfen Zahnprothesen gefordert zu werden.
Freund M. in München, in ähnlicher Weise vom "ausgestellten Dilettantismus" des Werks negativ beeindruckt, teilte das arglos einem alten Bekannten mit. Dieser, u.a. Filmkritiker für die Süddeutsche Zeitung, bestellte ihn daraufhin nicht gerade zum Duell, aber zu einer gestrengen Belehrung über die Genialität von T.E.. Da der Delinquent sich unbelehrbar verweigerte, redet er seither nicht mehr mit ihm.

So war ich doch etwas erschrocken, als sich zeigte, dass unsere freundlichen Gastgeber bezüglich T.E. auch zum Duell aufgestellt sind:
Sie, die Cineastin der Familie, hält das Werk für maßlos überschätzt, und auch der ganze Container voll Prämierungen könne sie nicht von dieser Meinung abbringen.
Er wiederum findet T.E. erfrischend originell und kann es auch begründen: die Regisseurin verweigere sich mit bewundernswerter Konsequenz den konventionellen Erwartungen des Zuschauers an Schnitt und Dramaturgie - ein echter Anti-Hollywoodfilm sei hier gelungen.
Sie, die Cineastin bleibt ungerührt. Natürlich habe sie diese Absicht auch erkannt, aber damit vermittele sich ihr nichts, sie fühle sich als Zuschauerin weder angerührt noch gefordert sondern schlicht gelangweilt, Punkt.
Und dann passierte - gar nichts. Das Ehepaar lächelte sich von den gegenüberliegenden Seiten des unüberbrückbaren T.E.-Grabens zu, und das Gespräch wanderte weiter zu dem neuen Artefakt einer Höhle von Lascaux.

Ich habe daraus gelernt
1. es gibt doch mehr T.E.-Gegner als es den Anschein hat. Wahrscheinlich schweigen sie, eingeschüchtert von so viel tönendem Kritiker-Lob, aber das ist falsch! Besteht auf eurem Menschenrecht, T.E. NICHT genial zu finden! Bekennt euch dazu, ihr seid damit nicht in schlechtester Gesellschaft.
2. T.E. ist ein Prüfstein für Toleranz. Und wenn Ehegatten, Freunde, geschätzte Gesprächspartner in den Jubel über T.E. einstimmen und man findet beim besten Willen keine Erklärung für dieses Massenphänomen,
sollte man einfach zu einem anderen Thema übergehen, zum Beispiel zu den Höhlen von Lascaux.