Also ernst gemeint? Martin Schulz, der Cäsar der SPD? Jener, der echte, hat vielleicht auch keine Geschichten gelesen, allerdings selbst Geschichten geschrieben, über seine Feldzüge gegen die Wilden im Norden und Nordwesten, dabei einiges, wie bekannt, erschwindelt oder wenigstens übertrieben, aber, Vorsicht Schulz! ein paar Siege konnte der Römer nachweislich verbuchen, und geprahlt hat er damit erst hinterher.
Ach alte SPD! Mit 18 wurde ich Mitglied bei den Jusos, dem damals bekannt rebellischen Jungvolk der Partei. Teilweise aus Überzeugung, teilweise aber auch, weil schon meine gesamte Freundesclique eingetreten war, allen voran mein Kabarettpartner Rüdiger Schablinski.
Dieses -zugegeben- etwas schafsmäßige Verhalten hat mich (neben einer gesunden Skepsis gegenüber Weltverbesserungspatentrezepten) vielleicht davor bewahrt, wie andere meines Jahrgangs nach dem kurzen Marsch durch die K-Gruppen auf gesicherten Plätzchen in den Institutionen zu landen.
Das "Establishment" mit seinen Institutionen war natürlich der Hauptfeind für unser Kabarett, aber wir hielten auch immer eine geräumige Watschenecke offen für den KBW, die KPD/ML, für chaotische "Freiheit für..."-Schreier, und dann in der Ära Helmut Schmidt unsere jedesmal mit Zähneknirschen wiedergewählte Stammpartei, vor den Grünen alternativlos.
VORWÄRTS!
Melchior Schedler 1980
Und jetzt? Soll ich demnächst die SPD wieder nicht wählen können, diesmal wegen einem grunddämlichen Plakat? Oder ist es doch satirisch gemeint? Oder gar das Werk eines heimlichen Schulz-Hassers?
Ich habe in meiner Ratlosigkeit das Bild verbreitet und Freunde gefragt.

A. aus W. ätzte sofort zurück:
"...Mich juckts in den Fingern, dieses Plakat mit den Worten: "Und wenn er nicht gestorben ist, dann schreibt er dran noch heute..." zu ergänzen, um auch dem letzten Genossen klar zu machen, unter welcher Form diese Geschichte einzuordnen ist.
Die meinen das tatsächlich ernst - tatsächlich gilt man heute bereits als linker Hoffnungsträger, wenn man die Unfehlbarkeit des Kanzlerdarstellers Schröder anzweifelt. Demnächst werden sie ihren neuen Kandidaten noch als Heiligen Martin darstellen, der mit den armen Hartz 4 Opfern seinen Mantel teilt.
Und nach der Wahl wirds dann wieder der Mantel des Schweigens sein..."


Freund M. kam, wie ich, eher ins Grübeln über die Vergangenheit:
"...Der Schulz-Entflammung bei der SPD sehe ich recht irritiert zu. Zwar verteufle ich sie längst nicht mehr, wie es nach 1966 linksüblich war, trage ihre jahrhundertalten Verdienste im Munde, (die sogleich schwanden wenn ich dann einem SPD-Unterbeamten gegenüber stand), begrüße, dass sie die Union grün beatmet hatte, nachdem sie ihrerseits grün beatmet worden war ... aber woher das aufgesetzt Kämpferische, das Pathos auf einmal, nur weil ein Spieler (Schulz) neu eingewechselt wurde aus der Welt-Liga in die Kreis-Liga? Selbstironie vielleicht auch bei den Werbegrafikern?

Selbstironie vielleicht? Das ist geistreich, aber nicht hilfreich für eine Wahlentscheidung.
Fest steht: am 11. November ist Sankt-Martins-Tag, da werden wieder pfleglich gemästete Gänse geschlachtet, und es gibt eine Bauernregel:

Hat Martini einen weißen Bart
Wird der Winter lang und hart.