Cora Stephan und die Kunst des Weglassens

In einem Kommentar für den NDR vom 6.4.2018 geht es u.a. um das Fehlen von Frauen in Spitzenpositionen, und dazu fragt Frau St.: ja wollen die denn überhaupt?
Das halte ich für eine durchaus zulässige Frage. Schließlich scheinen auch mir manche Spitzen-Tätigkeiten mit Dauerstress und Konkurrenzkampf trotz hoher Bezahlung nicht wirklich attraktiv. Und ich kann mir vorstellen, dass nicht nur träge Tussis, sondern auch friedfertige Charaktere lieber einen entspannteren Weg wählen - sofern möglich natürlich - z.B. Teilzeit neben einem gut verdienenden Partner. Man könnte sogar weiter fragen, ob nicht mancher Mann aus dem Rattenrennen aussteigen würde, wenn er diese Chance auch hätte.
Also, folgert Frau St., sollten unsere "Eliten" die Frauen nicht weiter bevormunden und ihnen die Freiheit lassen, keine Karriere zu machen.
Den nächsten Schritt, nämlich einen Berufsverzicht als dem Wesen des Weibes angemessen zu erklären, tut die Autorin hier nicht. Aber die argumentative Rutschbahn dorthin ist schon angelegt, und die Beipflichter im Internet setzen sich prompt drauf: Jawohl, Feminismus= Weibergedöns, macht die naturgegebenen Familienstrukturen kaputt usw usw.

In einem anderen Kommentar fordert die Autorin mehr Sachlichkeit von den Politikern/innen - bitte keine emotionalisierten Anekdoten an Stelle von Argumenten für eine Entscheidung! Dem kann ich nur zustimmen : Angela Merkels Berufung auf ihr (wechselhaftes!) "Bauchgefühl" in Sachen Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare hat auch mir ein flaues Gefühl im Magen verursacht.
So weit, so gut - da gibt es eben eine Schnittmenge zwischen mir und Frau St.
Blöd nur, dass sich unter den von ihr ausgewählten Zitaten von Unsachlichkeit kein einziges Beispiel aus den Reihen jener neuen Partei findet, die schamlos das Klavier der Emotionen nutzt, um mit notdürftig als Fakten kostümierten Ressentiments beim Wähler Angst und noch unerfreulichere Emotionen zu schüren.
Um Frau St.`s Kunst des Weglassens noch besser mit Beispielen zu illustrieren, war ich weiter im Netz unterwegs und hing plötzlich fest bei

https://www.jungewelt.de/artikel/331720.widerstand-ist-schon-sehr-angebracht.html

jajaja, die Junge Welt ist ein Blatt der Linken und da gibt es doch diese Alt-Stalinisten, gell, aber dieser 80Jährige ist bestimmt keiner, als unbestechlicher Dauerdenker. Nicht dass ich hier immer seiner Meinung wäre, aber mit so einem würde es sich lohnen zu streiten. Außerdem, bin ich, den eigenen vorgerückten Jahren geschuldet, froh über jede Begegnung mit Menschen im "Greisenalter", die noch nicht geistig den Löffel abgegeben haben.
Jedenfalls hat das Interview mit dem Kabarettisten Henning Venske meine Laune sofort aufgehellt und mich darin bestätigt, mir heute keine weiteren Überlegungen zu Frau St. anzutun.

Auf der Suche nach etwas, das ich nicht fand, bin ich also überraschend auf etwas Anderes, Besseres, Bedenkenswerteres gestoßen!
Dafür gibt es sogar einen eigenen Begriff: das ist Serendipity,
ein fröhlich vor sich hin hüpfendes Wort für eine angenehme Erfahrung, auf die wir uns ruhig öfter einlassen könnten.