Bild & Wort
"...schon früh ließ die Künstlerin sich von der Natur inspirieren...."
"...verbindet der Künstler mit kulturgeschichtlichen und popkulturellen Referenzen De-Konstruktion und Re-Konstruktion..."

Ein paar Fakten und ein paar Floskeln - warum sind Vernissagenreden oft so fad?
Weil man glaubt, intelligentes Spielen mit zusätzlicher Bedeutung aufladen und dadurch legitimieren zu müssen?
Oder weil die Redner, Fachleute und Freunde, zu weit entfernt vom Objekt sind? Oder gerade zu nah?
Wenn Marina dazu gebeten wurde, hat sie immer versucht, etwas Originelleres zu gestalten. Nicht um dem/der Ausgestellten die Show zu stehlen, sondern weil er/sie als Künstler/in eine angemessen kunstvolle Rede verdient.
Sie selbst kann zwar nicht mehr als Strichmännchen zeichnen, ist aber fasziniert von bildender Kunst und versucht diese Faszination lebenslang zu begründen. Bevorzugt dabei Bilder und Objekte, die etwas erzählen. Oder die auf Geschichten verweisen. Oder zu denen man sich Geschichten ausdenken kann:
Der Bibliothekar des Giuseppe Arcimboldo (1526 – 1593) lässt befürchten, dass man in seiner Nähe sofort niesen muss. Staub hängt in den Falten des dunklen Vorhangs, der seinen Arbeitsmantel bildet, Staub erahnt man auf den gestapelten Folianten. Und auch den pelzigen Wedel, der hier als Bart des Bücherknechts dient, möchte man lieber nicht benutzen, um nicht noch mehr Staub aufzuwirbeln. Was sieht der Papiermann wohl durch seine staubtrüben Lupen-Brillengläser? Sich selbst in einem dunklen Spiegel als Ausstellungsstück der kaiserlichen Wunderkammer?
Melchior Schedler: Arcimboldo soll nicht das letzte Wort haben
Entstaubt, frisch geputzt - der dustere Vorhang ist längst abgerissen, damit Tageslicht hereinfallen kann - so präsentiert sich Melchiors neuer Herr des geschriebenen und gedruckten Wortes. Er braucht keine Brille mehr, er hat sich die Unschärfe weglasern lassen. Die leuchtende Kristallkugel ist kein Arbeitsgerät, dient nur der Stimmungsaufhellung und Motivierung. So einer kann neben dem wertvollen Altbestand auch schlichte Neuerscheinungen und DVDs verwalten und sogar ausleihen!
Warum ist sein papierenes Lächeln dennoch merkwürdig unfroh? Warum duldet er so manches Getier auf seinen Seiten? Warum hält er so bedeutungsschwer dem Betrachter ein Buch mit beiden Händen entgegen?
Ahnt er, spürt er vielleicht schon, wie die Buchstaben sich daraus lösen, aufsteigen in eine Wolke, um von dort, himmlischem Manna gleich, wieder herab zu regnen auf Metall in Knäckebrotform, in eifrig wischende Userhände?
Das braucht dann keine Bibliothek mehr und der Verwalter der Wörter wird ein binärer Code sein -- male DAS mal, Maler!
Und wer wird dann das letzte Wort haben?
md 2015
Wolkenstein!

Eine Installation von Franziskus Schmid in der Seidl-Villa in München.
Hier mussten die Steine nicht nur zum Reden, sondern auch zum Klingen gebracht werden
Urban Ehm: Kopfrelief

Ich: Der Künstler hat Ihnen keinen Namen gegeben - ist das der Grund für Ihre etwas trübe, schmollende Miene?
Es: (schweigt)
Ich: Sie als Scherengesicht - ich nenn Sie mal so - haben mit einem furnierten Schrankteil einen vertrauenerweckenden Untergrund, aber die Schere darüber, ein Instrument mit unangenehmen Assoziationen: Sie schneidet ab, Daumen, Lebensfäden, dann gibt es noch die gefürchtete Schere im Kopf - entsteht da nicht ein Spannungsverhältnis?
Es: (schweigt)
Ich: Ja, ich sehe, die Schere ist schon ziemlich rostig und sitzt nicht in sondern vor dem Kopf, eine interessante Symbolik, aber wofür?
Es: (schweigt)
Nach 5 weiteren Fragen zu Absicht des Künstlers und Befindlichkeit des Kunstwerks gebe ich auf. Im Weggehen glaube ich, ein Kichern zu hören, und als ich mich umdrehe, hat Scherengesicht mir die Zunge herausgestreckt.

War das dein Flug, fliegender Robert?
Start wider Willen
Schirm verloren
Hut behalten
und jetzt statt atemberaubendem Absturz
Abhängen Absinken Abstinken
in alte anhängliche Abhängigkeiten
ach du Armer!

(zu: Helmi Prechter: Lass mich meinwärts ziehen)

Und immer wieder die Fragen:
Kann man die von Bildern ausgelösten Gefühle in einem anderen Medium, in diesem Fall Wort und Musik, noch einmal erleben, ja sogar verstärken?
Können Galerien und Künstlerwerkstätten als Lesungsorte Echoräume besonderer Art sein?

Marina glaubt das jedenfalls und hat dafür schon zahlreiche Literaturlesungen, auch mit Musik, zusammengestellt, passend zu den Themen oder Stimmungen der jeweiligen Ausstellungen, hat für private Galerien wie auch das Schlossmuseum Murnau gearbeitet, hat Schauspieler engagiert oder auch selbst gesprochen.
Schräge Hackbrettklänge, Stimmen im Raum, Halbdunkel mit Kerzen, Licht auf die Werke am Ende:
Vorbereitung zur Lesung "Labyrinthe" in der Galerie AURUM MAGNUM
mit Inga Grüttner und Hans Jürgen Stockerl.
www.stockerl-diestimme.de

Im Augenblick arbeite ich, ganz konventionell, an einem Bilderbuch. Ich habe schon immer gerne, nur zum Vergnügen, für die Kunstfotos von Inga, meiner Lebensgefährtin, kleine Prosagedichte geschrieben, dazu eine ganze Serie über ihre nicht gemachten, verpassten, verworfenen Fotos. Das wird jetzt zusammen geführt.
Inga Grüttner: Mut! Geh!
AUTOBAHNBRÜCKE ÜBER DEM TAL DER MANGFALL

Zur Reisezeit, und es ist immer irgendwo Reisezeit,
und schöner ist Anderswo,
redet die Brücke unter der Brücke ununterbrochen.
Man hört es, wenn man die Hand auf die Stahlrohre legt.

Auf der Betondecke oben zählt man die höchste Verkehrsdichte Bayerns,
im schwebend gehängten Gitterwerk drunter drei Fußgänger pro Tag.
Dazu ein streunender Radler die Woche, vor zwei Jahren ein Skater.
Der Versuch, ein Pony hinüber zu führen, scheiterte, weil das Tier scheute.

Der Zugang hält sich bedeckt, denn unten die Mangfall hat Strudel,
die, wenn man zu lang in die Tiefe schaut, und gerade bei Sonnenschein,
sich öffnen zu Toren ins schönere Anderswo.
Das Schutzgitter über der Balustrade wurde schon zweimal erneuert
Und jedes Mal höher gezogen.

Auch muss man bedenken, sag ich zur Brücke, dieses Flüsschen
liefert das Trinkwasser für die ganze Stadt München,
also - das geht doch nicht, oder?
Dann halt ich mir schnell die Kamera vor die Augen und fotografiere
die Brücke unter der Brücke von einem Ende zum anderen.

Einmal gedreht, zeigt dieses Bild die Einstiegsschleuse des Raumschiffs
vor dem Start zum Planeten, wo alles anders ist, und schöner.
Inga mit Vitessa 1000 SR